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Internationale Wissenschaftskooperationen

Globale Wissenschaft in volatilen Zeiten

Internationale Ausrichtung, Vernetzung und Kooperation sind konstitutiv für die Wissenschaft und somit für Studium, Lehre und Forschung – auch an der HAW Hamburg. Angesichts dynamischer geopolitischer Entwicklungen und der Wahrnehmung einer steigenden Zahl von Partnerländern, die nicht als rechtsstaatliche Demokratien bezeichnet werden können oder als systemische Rivalen gelten, wächst die Bedeutung einer Risiko- und Chancenabwägung bei bestehenden und zukünftigen internationalen Kooperationen.

Prof. Dr.-Ing. Porträtbild von Peter Wulf, Vizepräsident für Forschung, Transfer und Internationales

Am 16. Mai findet die hochschulinterne Podiumsdiskussion „Internationale Wissenschaftskooperationen im Kontext geopolitischer Entwicklungen“ statt. Wir haben mit dem Vizepräsidenten für Forschung und Transfer, Prof. Dr. Peter Wulf, gesprochen.

Am 16. Mai fand die hochschulinterne Podiumsdiskussion „Internationale Wissenschaftskooperationen im Kontext geopolitischer Entwicklungen“ an der HAW Hamburg statt. Wir haben mit dem Vizepräsidenten für Forschung und Transfer, Prof. Dr. Peter Wulf, zum Hintergrund gesprochen und Ergebnisbotschaften zusammengefasst.

Welchen Stellenwert hat das Thema Internationale Wissenschaftskooperationen angesichts der politischen „Zeitenwende“ für Hochschulen?
Insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten seit dem Ende des Kalten Krieges haben sich Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen weltweit stark vernetzt, neue Kooperationen geschlossen oder bestehende ausgebaut. Dies gilt auch für die HAW Hamburg mit ihren mittlerweile fast 170 internationalen Kooperationen. Aufgrund der geopolitischen Veränderungen der letzten Jahre, die von protektionistischen Tendenzen über veränderte Hegemonialansprüche einzelner Staaten, neuem Blockdenken bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen reichen, ist der Bedarf für Hochschulen, Studierende und Wissenschaftler*innen enorm gewachsen, sich mit diesen Veränderungen im Hinblick auf Studium, Lehre und Forschung in internationalen Kooperationen auseinanderzusetzen.

Gemeinsam mit den eingeladenen Expert*innen wollen wir in dieser ersten Podiumsdiskussion verschiedene Ebenen und Facetten beleuchten, die internationale Kooperationen oder auch die Einstellung von Kooperationen im Kontext geopolitischer Spannungsverhältnisse bedeuten.

Prof. Dr. Peter Wulf, Vizepräsident für Forschung und Transfer

Sie haben für das Podium sowohl Expert*innen für China und Osteuropa als auch für Forschungssicherheit und Friedensinitiative eingeladen. Welche Bezüge sehen Sie zu konkreten Wissenschaftskooperationen an der HAW Hamburg?
Die Wissenschaftsbeziehungen zu Russland wie auch zu China stehen im Mittelpunkt vieler Diskussionen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. So unterhielt auch die HAW Hamburg bis zum Angriff Russlands auf die Ukraine verschiedene Kooperationen mit russischen Hochschulen. Und über das Shanghai-Hamburg-College besteht eine traditionsreiche und intensive Kooperationsbeziehung zur University of Shanghai for Science and Technology (USST). Zugleich wird China inzwischen von der Bundesregierung als Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale gesehen. Gemeinsam mit den eingeladenen Expert*innen wollen wir in dieser ersten Podiumsdiskussion verschiedene Ebenen und Facetten beleuchten, die internationale Kooperationen oder auch die Einstellung von Kooperationen im Kontext geopolitischer Spannungsverhältnisse bedeuten. Dass wir dies zunächst anhand der Entwicklungen in Osteuropa und China vollziehen, macht die einzelnen Aspekte greifbarer, beschränkt den Diskurs aber nicht auf diese Regionen.

Zu der Podiumsdiskussion waren alle Hochschulmitglieder eingeladen – Beschäftigte und Studierende. Was möchte die Veranstaltung erreichen?
Die Veranstaltung am 16. Mai war für uns der Auftakt zu einem hochschulweiten Austausch über die Internationalisierungsaktivitäten und ‑bestrebungen der HAW Hamburg. Dass dies regelmäßiger stattfinden soll, haben wir bereits in unserer neuen Internationalisierungsstrategie festgelegt. Wir wollen uns aktiv mit den neuen Situationen und eher unsicheren Rahmenbedingungen auseinandersetzen und für uns einen klugen und differenzierten Weg eines von wissenschaftlichen und bildungspolitischen Erwägungen getragenen Umgangs mit internationalen Kooperationen finden. Dazu brauchen wir einen hochschulweiten Dialog, in den wir auch Institutionen und Akteur*innen aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur einbeziehen wollen. Ich bin sicher, dass uns mit der Podiumsdiskussion am 16. Mai ein guter Einstieg in diesen Diskurs gelungen ist.

Ergebnisbotschaften der Podiumsdiskussion „Inter­natio­nale Wissenschaftskooperationen im Kontext geopolitischer Entwicklungen“

Dimensionen internationaler Kooperationen: Die Reflexion und Gestaltung internationaler Kooperationen kann in drei Ebenen unterschieden werden: Austausch von Studierenden (pädagogisch-gesellschaftspolitische Ziele), Forschung (gelebte persönliche Forschungsbeziehungen), institutionelle Partnerschaften (strategische Erwägungen der Hochschulen). Jede dieser Ebenen ist von eigenen Interessen und Logiken geprägt, die bei der Abwägung eine Rolle spielen.

Wissenschaft als Brücke: Wissenschaft sollte Brücken schlagen und Kommunikationskanäle gerade im gesellschaftlichen Bereich offenhalten. Wissenschaft sollte sich nicht an den geopolitischen Dynamiken und Eskalationen beteiligen. Wissenschaft kann einen nichtpolitischen Gesprächskanal in Zeiten politischer Spannungen bieten. Für internationale Kooperationen und wissenschaftliche Kommunikationskanäle sollte die Bedeutung eines zivil ausgerichteten wissenschaftlichen Handelns vermehrt reflektiert werden.  

Möglichkeiten zum Dialog nutzen: Angesichts volatiler geopolitischer Zusammenhänge sollten Chancen zum Dialog mit anderen Ländern und zum Kennenlernen anderer Kulturen wahrgenommen und genutzt werden.

Zeitenwende in der Wissenschaft: Mit der sogenannten „Zeitenwende“ werden sicherheitspolitische Aspekte in internationalen Kooperationen stärker fokussiert. Die Herausforderung für die Wissenschaft und Hochschulen besteht darin, Offenheit und Autonomie als zentrale Werte der Wissenschaft mit nationalen Sicherheitsbedenken in Kooperationen in Einklang zu bringen.

Bedeutung der strategischen Gestaltung von Kooperationen steigt: Internationale Kooperationen im Wissenschafts- und Hochschulbereich sollten verstärkt strategisch gestaltet werden. Das beinhaltet die Notwendigkeit, die eigene Ziele klar zu haben und diese den Risiken und Chancen gegenüberzustellen.

Gesellschaftliche Verantwortung bewusst machen: Hochschulen und ihre Mitglieder haben eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Die gesellschaftlichen Auswirkungen der eigenen Forschung und des eigenen akademischen Handelns sollten reflektiert und verantwortungsvoll genutzt werden. Dazu ist der Aufbau von Expertise auf allen Dimensionen notwendig.

Regionalkompetenz erhöht Gestaltungsmöglichkeiten: Wissen über die politischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Rahmenbedingungen des Kooperationspartners bietet mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei Kooperationen. Für diesen Wissenserwerb, etwa in Bezug auf die Chinakompetenz, braucht es bessere Angebote und Anreize, um beispielsweise Auslandsreisen und Gastaufenthalte zu ermöglichen.

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