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One World Engineering

Die Welt zum Guten verändern

Dr. Thomas Flower ist Dekan der Fakultät Technik und Informatik. Er hat mit der Initiative "One World Engineering" einen Transformationsprozess gestartet, der Lehre und Forschung gleichermaßen umfasst. Im Zentrum stehen die globalen Herausforderungen, die wir als Gesellschaft zu bewältigen haben und die aktuellen Antworten der Ingenieurwissenschaften darauf. Das Interview ist neben vielen anderen Artikeln auch im neuen Forschungsmagazin (K)NOW der Fakultät Technik und Informatik erschienen: Darin dreht sich alles um das Thema "Energie".

Dr Thomas Flower möchte, dass seine Absolvent*innen ihrer eigenen Verantwortung als Ingenieur*innen und Informatiker*innen bewusst sind. Und mit ihren Fähigkeiten die Welt etwas besser machen.

Überschwemmungen, Waldbrände, Hunger – es scheint, als würde der Klimawandel in diesem Jahr besonders stark durchschlagen. Inzwischen ist uns allen klar, dass es ein „weiter wie bisher“ nicht mehr geben kann. Inwieweit kann eine Hochschule dazu beitragen, den Klimawandel abzufedern?

Eine Hochschule kann auf vielfältige Weise wirken: Sie kann der Gesellschaft beispielsweise öffentlichkeitwirksam die wissenschaftliche Expertise ihrer Lehrenden und vor allem ihrer Forscher*innen anbieten und damit eine ausgewogene Bewertung von politischen Handlungsoptionen und Entscheidungen möglich machen. Das hat der bekannte Virologe Prof. Christian Drosten im Rahmen der Coronapandemie vorbildlich gemacht.
Sie kann auf der anderen Seite aber auch eine Vorbildfunktion einnehmen. Beispielsweise in Sachen nachhaltiges Energiemanagement, Mobilität und Materialverbrauch und dies offensiv sichtbar machen. Hier haben wir als HAW Hamburg selbst aktuell noch viele Hausaufgaben zu lösen. Schlussendlich und hier langfristig am wirkungsvollsten kann sie über die Lehre junge Menschen dazu befähigen, aktiv Problemlösungen für die globalen Herausforderungen zu finden und zu implementieren. Hier sehe ich uns als Fakultät Technik und Informatik in einer besonderen Weise gefordert, da dies gerade Ingenieur*innen und Informatik*innen sehr wirkungsvoll können.

Sie haben im Jahr 2021 an der Fakultät Technik und Informatik das Projekt "One World Engineering" gestartet. Was haben Sie vor – was genau ist das Ziel?

Ursprünglich haben wir uns damit beschäftigt, was wir tun müssen, um die Studiengänge der Fakultät in den Augen der Studieninteressierten attraktiver erscheinen zu lassen. Dies war eine Reaktion auf die Beobachtung, dass die Bewerber*innenzahlen für Ingenieurstudiengänge in den letzten Jahren auffällig rückläufig waren. Im Verlauf der Bearbeitung des Themas wurde der Spieß umgedreht und wir haben verstanden, dass wir uns damit beschäftigen müssen, was wir bei uns ändern müssen, damit unsere Angebote relevanter für unsere Zielgruppe werden. Nebenbei wurde der Begriff „One World Engineering” entdeckt und ist als Name der Initiative haften geblieben. Seitdem verstehen wir darunter eine Neuorientierung der Aktivitäten der Fakultät TI an den globalen Herausforderungen. Diese werden auch in den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen beschrieben: beispielsweise Klimawandel, Artenvielfalt, Ressourcenverbrauch.

Wo stehen Sie mit dem Projekt gerade – was haben Sie bisher erreicht und was sind die nächsten Schritte?

Die Leitungsebene der Fakultät hat sich im September 2021 in einem Manifest zu den Zielen von One World Engineering verpflichtet. Im letzten Jahr haben wir viel Zeit und Mühe investiert, die Notwendigkeit zu Veränderungen innerhalb der Fakultät und auch breiter innerhalb der Hochschule zu kommunizieren und uns der Kritik der Kollegenschaft zu stellen. Dabei gab es erstaunlich viel Zuspruch und positive Rückmeldungen. Darüber hinaus haben wir ein One- World-Engineering-Office gegründet, um die Aktivitäten innerhalb der Fakultät TI voranzubringen. In die Zukunft geblickt wollen wir einerseits unsere One-World-Engineering-Angebote, sowohl in der Forschung als auch in der Lehre, ausbauen und unsere Webseite nutzen, um bereits etablierte Angebote besser sichtbar zu machen.

Hochschulen sind träge Systeme, Veränderung vollzieht sich nur sehr langsam. Auf welche Probleme sind Sie gestoßen, die Sie nicht vorhergesehen haben?

Zunächst würde ich die These der Hochschule als träges System etwas differenzierter beschreiben. Zum Beispiel ist die Lehre unserer Hochschule im Frühjahr 2020 wegen der Coronakrise quasi über Nacht von fast rein Präsenz zu fast rein digital geswitcht. Anderes Beispiel: Innerhalb der beschlossenen Prüfungsordnungen finden auf Arbeitsebene ständig Veränderungen und Weiterentwicklungen unserer Lehre statt, getrieben durch persönliche Initiative der Mitglieder der Hochschule. Schwieriger wird es, wenn sich die Organisation als solche ändern soll. Hier haben wir institutionelle Einschränkungen, die einen Bestandsschutz für alle Mitglieder der Hochschule bieten und die schnelle Veränderungen behindern. Wenn eine Veränderung ein Konsens unter nahezu allen Mitgliedern der Hochschule voraussetzt, so ist der entsprechende Beteiligungsprozess sehr langsam. Das größte Problem, auf das ich gestoßen bin, war der Diskurs mit einer breiten Studierendenschaft zu den Zielen von One World Engineering. Bislang sind wir hier nicht erfolgreich gewesen, sondern haben lediglich mit gewählten Studierendenvertreter*innen Gespräche führen können, die dafür allerdings umso inhaltsvoller waren.

Wenn Sie sich die Absolventinnen und Absolventen der Zukunft vorstellen – welches Skillset wünschen Sie sich?

An erster Stelle steht das, was wir seit vielen Jahren und Jahrzehnten sehr gut machen, nämlich eine fachlich wissenschaftliche Expertise, die es den Absolvent*innen ermöglicht, in der Wirtschaft unmittelbar wirksam sein zu können oder sogar Leitungsfunktionen wahrnehmen zu können. Aufgrund der Zuspitzung der diversen gesellschaftlichen Herausforderungen habe ich in meiner Kommunikation im letzten Jahr folgendes Zielbild vorgeschlagen: Die Menschheit beeinflusst und beherrscht die Welt – Land, Meer und Luft! Die Menschheit ist umfassend verantwortlich für ihren eigenen Fortbestand. Die Natur kann unser Fehlverhalten nicht mehr kompensieren. Unsere Absolventinnen und Absolventen müssen alle stets ihr Wirken als Ingenieur*innen und Informatiker*innen in Bezug zu ihren globalen Auswirkungen erfassen.
Um dieses Zielbild erfüllen zu können, muss man sehr interdisziplinär sprachfähig sein, da die Auswirkungen des Handelns von Ingenieur*innen und Informatiker*innen sehr vielfältig und breit und auch in unerwarteten Feldern erfolgen. Ich bin überzeugt, dass wir dies nur erfüllen können, wenn alle lernen, in Teams kollaborativ zu arbeiten. Da die globalen Krisen nicht regional oder national verstanden und gelöst werden können, sehe ich auch die Notwendigkeit, als Absolvent*in international denkend und der englischen Sprache mächtig zu sein.

Stellen Sie sich die Fakultät Technik und Informatik in zehn Jahren vor. Was wünschen Sie sich, dass sich bis dahin geändert hat?

Ich würde mich sehr freuen, wenn an dieser Fakultät unsere Lehre zukünftig getragen wird von kollaborativen Teams, die gemeinsam, forschend, an realen gesellschaftlichen Herausforderungen lernen und studieren – dafür gibt es den Anglizismus „Challenge Based Learning” – und zwar vom ersten Lehrjahr an. Mein Wunsch wäre darüber hinaus auch, dass die Studierenden ermächtigt werden, ihr Studium selbst nach Interessen, Fähigkeiten und Neigungen gestalten zu können. Das setzt einerseits die Vorbereitung der Studierenden auf diese Eigenverantwortlichkeit voraus als auch die Möglichkeit, im Studium einen persönlichen Verlauf gestalten zu können.

(Die Fragen stellte Tiziana Hiller)

Forschungsmagazin (K)NOW der Fakultät Technik und Infor­ma­tik

Im neuen Forschungsmagazin der Fakultät Technik und Informatik geht es um das Themenfeld Energie. Aktueller könnte das Thema nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sowie der Gas- und Stromkrise nicht sein. Umso spannender ist es zu lesen, mit welchen Forschungsprojekten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Fakultät Technik und Informatik beschäftigen.

Sie können das Magazin einfach online lesen oder eine gedrucktes Exemplar bei Dr. Ariane Ament  bestellen.

Kontakt

Dr. Thomas Flower
Dekan der Fakultät Technik und Informatik
Initiator von "One World Engineering"
Berliner Tor 7
20099 Hamburg

thomas.flower (at) haw-hamburg (dot) de

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