Wir haben mit Prof. Dr. Frederike Masemann, Vizepräsidentin für Studium und Lehre, und Janna Hickethier, vom Hochschulinformations- und Bibliotheksservice (HIBS) der HAW Hamburg über die neuen HIBS-Räume und Lernräume im Allgemeinen gesprochen.
Wir haben mit Prof. Dr. Frederike Masemann, Vizepräsidentin für Studium und Lehre, und Janna Hickethier, vom Hochschulinformations- und Bibliotheksservice (HIBS) der HAW Hamburg über die neuen HIBS-Räume und Lernräume im Allgemeinen gesprochen.
Das HIBS Learning Center am Campus Berliner Tor hat seit November 2024 geöffnet und ist einer der meistbesuchten Orte am Campus. Was macht diesen Lernraum so besonders?
Prof. Dr. Frederike Masemann: Aus meiner Sicht ist das HIBS Learning Center so besonders, weil eine komplette Etage offen zugänglich ist. Diese Offenheit ist besonders, denn zu allen anderen Räumen wie Büros oder Vorlesungsräumen haben häufig nur einzelnen Mitgliedern der Hochschule Zugang, oder nur dann, wenn dort Lehre stattfindet. Das HIBS Learning Center ist offen für alle Mitglieder der Hochschule – insbesondere natürlich für unsere Studierenden – und dies von Montag bis Samstag, von früh bis spät. Das ist genau der Kerngedanke, der uns so wichtig war: einen Ort zu schaffen, zu dem unsere Studierenden und Kolleg*innen unabhängig von ihren Stundenplänen und zeitlichen Verpflichtungen jederzeit Zugang haben und in dem sie je nach Wunsch in Kleingruppen oder individuell lernen und arbeiten können.
Janna Hickethier: Für mich ist das HIBS Learning Center ein ganz besonderer Lernraum, weil das Thema Partizipation im Gestaltungsprozess eine zentrale Rolle spielte und das Lernraumkonzept nutzer*innen-zentriert entwickelt wurde. So wurden Aspekte sichtbar, die vielleicht sonst nicht aufgefallen wären. Und obwohl die Eröffnung des Raumes nun hinter uns liegt, begreifen wir die Gestaltung nicht als abgeschlossen. Denn erstens gibt es tatsächlich noch ein paar kleinere Baustellen, die noch auf unserer To-Do-Liste stehen, und zweitens gehört zum Konzept des HIBS Learning Centers ganz wesentlich, dass es sich mit verändernden Bedarfen auch kontinuierlich weiterentwickeln soll. Für die Zukunft heißt das für uns, dass wir auf die Unterstützung durch die Studierenden angewiesen sind. Sie können uns ihre Ideen und Wünsche mitteilen und wir mit ihnen über ihre Bedarfe in den Austausch gehen.
Wie ist das Konzept für das Learning Center entstanden? Und welche Rolle spielen die Bibliotheken an Hochschulen als Lernort?
Janna Hickethier: Die Idee für das HIBS Learning Center an der HAW Hamburg entstand aus dem sichtbar wachsenden Bedarf der Studierenden nach flexiblen Lernmöglichkeiten. Die Studierenden brauchen mehr Plätze für individuelles, aber auch für gemeinsames Lernen. Das sehen wir an den stark ausgelastet Arbeitsplätzen in den Bibliotheken. Das Problem ist, dass die Möglichkeiten weitere Arbeitsplätze innerhalb der Bibliotheksräume anzubieten natürlich begrenzt ist. Es wurde deshalb innerhalb des HIBS überlegt, wie es trotzdem möglich gemacht werden kann, weitere Lernortangebote zu schaffen. Da inzwischen vermehrt E-Medien genutzt werden, war es möglich, am Berliner Tor durch die Zusammenlegung von Buchbeständen aus zwei Teilstandorten der Fachbibliothek Technik Wirtschaft Informatik einen etwa 1000 m² großen Raum bereitzustellen, um auf dieser Fläche einen Lernort zu entwickeln. Die Initiative wurde von der Fakultät Wirtschaft und Soziales unterstützt und mit finanziellen Mitteln für die Umsetzung ausgestattet.
Der anschließende Prozess der Konzeption wurde unter anderem durch das Digitalisierungsprojekt "Hybride Lernräume" begleitet, bei dem ein interdisziplinäres Team aus Wissenschaftler*innen, Studierenden und Mitarbeitenden des HIBS zusammenarbeitete, um die Gestaltung des Lernortes möglichst nutzer*innen-zentriert zu planen. Geleitet wurde das Projekt vom Team des HIBS, das für Planung, Koordination und Umsetzung verantwortlich war. Prof. Christine Gläser vom Department Information sicherte die Qualität der Ergebnisse, wobei verschiedene qualitative und ethnografische Forschungsmethoden zum Einsatz kamen.
Es gab Workshops mit den Mitarbeitenden der Fachbibliothek, um technische und strukturelle Bedarfe zu evaluieren und die späteren Service- und Vermittlungsangebote der Bibliothek im HIBS Learning Center zu untersuchen. Daneben war besonders die enge Einbindung der Studierenden in den Entwicklungsprozess wichtig. In zwei Lehrveranstaltungen – für Masterstudierende des Studiengangs Digitale Transformation und für Bachelorstudierende aus dem Studiengang Bibliotheks- und Informationsmanagement – arbeiteten Studierende als Forschende und Teilnehmende an der Konzeptentwicklung mit. Das Konzept wurde also studierendenzentriert, kompetenzorientiert, partizipativ und prozessorientiert entwickelt.
Welche Bedeutung haben Lernorte – nicht nur an der HAW Hamburg?
Prof. Dr. Frederike Masemann: Von der Schriftstellerin Marie Ebner von Eschenbach stammt der Satz: “Das Wissen ist das einzige Gut, das sich vermehrt, wenn man es teilt.“ Unsere Gehirne sind dann in der Lage besonders gut zu lernen, wenn wir uns im Austausch mit anderen Menschen befinden. In Zeiten von digitalen Lernformaten braucht soziales Lernen in Präsenz Anlässe und Ort, an denen Menschen zusammenkommen können. Gerade an unserer Hochschule für angewandte Wissenschaften ist die Anwendung des Erlernten, die Diskussion über Lerninhalte und -methoden, das Ausprobieren wichtig. Dafür braucht es physischen Raum und haptische Erfahrungen zusammen mit anderen. Für diese Art des von und miteinander Lernens und den Austausch schaffen wir bewusst Räume an unserer Hochschule, nicht allein im HIBS Learning Center, aber eben auch hier an diesem eigens dafür konzipierten Ort.
Welche Anforderungen haben Studierende an Lernräume – und wie entwickeln sich die Bedarfe?
Prof. Dr. Frederike Masemann: (lacht) Ich glaube, hier wäre es am besten, die Studierenden selbst zu fragen, welche Bedarfe sie an unsere Lernräume haben. Aus meiner Erfahrung sind Studierende sehr flexibel: Sie brauchen erstens vor allem Räume, die offen zugänglich sind und das am besten von früh bis spät und gerne auch am Wochenende. Zweitens sollten es Räume sein, bei denen man hoffentlich nicht gegen eine Wand schaut, sondern irgendwie auch einen Ausblick und Tageslicht hat. Zudem braucht es in den Räumen Flexibilität in der Gestaltung, also das, was unser HIBS Learning Center auszeichnet: Man sitzt nicht immer nur an festgestellten Tischen, sondern kann im Idealfall die Möbel bewegen, mal stehen oder in Gruppen zusammensitzen. Vielleicht auch nicht unbedingt nur auf einem Stuhl, sondern gerne auf einem bequemen Sofa oder vielleicht auch auf Sitzkissen auf dem Boden. Drittens brauchen wir alle funktionierendes WLAN und ausreichend gut erreichbare Steckdosen.
Janna Hickethier: Bibliotheksangebote müssen heute viel dynamischer an die Bedürfnisse von Forschung und Lehre angepasst werden. Für das HIBS-Leitungsteam entsteht daraus die Aufgabe, die Veränderungen im Blick zu haben, um Lücken im Studienprozess nachhaltig mit gezielten Angeboten zu füllen. Diese Dynamik hängt mit der zunehmenden Nutzung des Internets als Informations- und Publikationsmöglichkeit zusammen. Viele Studierende greifen inzwischen auf ungesicherte Quellen aus dem Internet zurück, was eine Herausforderung für die Qualität der Lehre und Forschung darstellt. Demgegenüber bieten Bibliotheken neben dem Zugang zu verlässlichen wissenschaftlichen Quellen auch Unterstützung für Studierende bei der Entwicklung von Informationskompetenz – eine der Future Skills in der heutigen, informationsüberfluteten Welt.
Bibliotheken an Hochschulen sind daher nicht nur Orte des Zugriffs auf Wissen, sondern auch Lernorte, an denen Studierende gezielt auf die Nutzung wissenschaftlicher Ressourcen vorbereitet werden. Durch spezialisierte Angebote, Workshops und Beratungsdienste können Bibliotheken als „Guide“ auftreten und sicherstellen, dass Studierende kompetent und effektiv mit wissenschaftlicher Literatur umgehen können. Gleichzeitig bieten Bibliotheken Lernräume, die speziell auf die Bedürfnisse von Studierenden zugeschnitten sind – von ruhigen Arbeitsplätzen bis hin zu Gruppenräumen für kollaboratives Lernen, die außerhalb der Bibliothek in dieser Form nicht verfügbar sind. Bibliotheken an Hochschulen spielen daher eine wichtige Rolle als Lernorte.
Und zum Abschluss: Welches sind Ihre liebsten Lernräume an der HAW Hamburg?
Prof. Dr. Frederike Masemann: Das kann ich sehr schnell beantworten. Ich bin am liebsten draußen zum Lernen und am allerliebsten bewege ich mich auch noch dabei. Das ist nicht immer möglich, aber Luft und Bewegung hilft ungemein beim Denken. Daher sind meine liebsten Lernräume an der HAW Hamburg die Orte zwischen den Gebäuden an unseren Campus-Standorten: Sei es der Lohmühlen Park, sei es der Kanal an der Finkenau oder der schöne Garten der Armgartstraße oder sei es in Bergedorf die Grünfläche vor der Bibliothek.
Janna Hickethier: Die stärkste Verbundenheit habe ich auf jeden Fall zum HIBS Learning Center, da ich die Entwicklung dieses Raumes von Anfang an begleitet habe, als ich selbst noch Studierende war. Ich finde, es bietet so viele unterschiedliche Möglichkeiten für verschieden Lernaktivitäten, das ist wirklich toll. Und es wird von den Studierenden ja auch sehr gut angenommen und genutzt. Besonders freut mich zu sehen, dass die Studierenden den Ort auch nutzen, um hybrid als Gruppe an Vorlesungen und Seminaren teilzunehmen. Das fühlt sich für mich nach einem wirklichen Durchbruch an, und ich denke, für solche Formate gibt es einfach noch viel zu wenig Orte am Campus.