Im Jahr 2022 floh Rukhsar mit ihren Eltern und ihrer jüngeren Schwester nach Hamburg, um für ihre Zukunft zu kämpfen. „Das Gefühl, sein Zuhause zu verlieren, alles zurückzulassen, wofür man so hart gearbeitet hat, und gezwungen zu sein, seine Lieben zu verlassen - nicht, weil man den Traum vom Studium im Ausland oder einer Weltreise verfolgen wollte, um sich selbst zu finden, sondern einfach, weil man keine andere Wahl hatte - ist etwas, das ich nicht in Worte fassen kann. In ein Land zu kommen, in dem ich nicht nur die Kultur nicht kannte, sondern auch die Sprache nicht sprach, ließ alles unmöglich erscheinen. Die Vorstellung, hier zu studieren, schien unerreichbar.“
In Deutschland war sie wieder bei ihren beiden älteren Schwestern, die mit DAAD-Stipendien hier waren, und bei ihrem Bruder Abdullah Khisraw, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Competence Centre for Erneuerbare Energien & Energieeffizienz (CC4E) an der HAW Hamburg im Bereich Windkraftanlagen arbeitete. Er war ihr Fels in der Brandung in dieser schwierigen Zeit. „Als Familie haben wir zusammengehalten und dagegen gekämpft, die Hoffnung zu verlieren. Die stärkste Unterstützung kam von meinem Bruder. Er hat mich durch die schwierigsten Momente geführt und mich ermutigt, weiterzumachen.“
Mit der Unterstützung ihres Bruders begann sie, Deutsch zu lernen. Als sie das Sprachniveau B2 erreicht hatte, absolvierte sie ein Vorbereitungsjahr am Studienkolleg Hamburg und legte die Feststellungsprüfung und das C1 Deutschprüfung ab. Mit diesen Zeugnissen bewarb sie sich für das Studium der Angewandte Informatik und begann im April ihr erstes Semester an der HAW Hamburg. „Ich habe mich für die HAW Hamburg entschieden, weil sie praxisorientiert ist und ich jemand bin, der das Gelernte am liebsten anwendet. Außerdem habe ich viele Freunde am Studienkolleg Hamburg gefunden. Ich schätze es sehr, wie interkulturell Hamburg ist, und ich finde die Menschen hier sehr freundlich. Es gab also viele Gründe, warum ich in Hamburg studieren wollte.“
Rukhsar beschreibt ihre Familie als einen Ort, an dem Wissen und Gleichheit die Grundlage des täglichen Lebens sind. Daher ist es verständlich, dass sich in die Freude darüber, nach drei Jahren der Vorbereitung endlich mit dem Studium beginnen zu können, auch das Gefühl mischt, die Vergangenheit zu vermissen und den Eindruck eines nicht gelebten Lebens zu haben. „Der Weg war nicht einfach, aber ich bin hier, um zu zeigen, dass Afghanistan mehr zu bieten hat als das, was in den sozialen Medien dargestellt wird. Ich hoffe, dass die Welt sieht, dass afghanische Frauen, deren Rechte ihnen genommen wurden, so viel Potenzial haben, wenn man ihnen nur die Chance dazu gibt. Es tut mir im Herzen und in der Seele weh, dass ich nichts für die Frauen in Afghanistan tun kann, und ich weiß, wie viel Talent und Potenzial ungenutzt bleibt. Ich hoffe wirklich, dass die Welt die afghanischen Frauen nicht vergisst.“
Text & photo: Ingrid Weatherall