Im Rahmen von HOS soll auch die Expertise von Mitgliedern der beteiligten Hochschulen in "Open Science Portraits" zugänglich gemacht werden. Prof. Dr. Dieter Scholz, Bibliotheksbeauftragter des Departments Fahrzeugtechnik und Flugzeugbau, hat ein eigenes Repositorium aufgebaut und spricht über seine Vision von Open Science. Hier ist sein Portrait.
Wissenschaftliche Herkunft
Dieter Scholz ist Professor für Flugzeugentwurf, Flugmechanik und Flugzeugsysteme an der HAW Hamburg und engagiert sich seit vielen Jahren für den offenen Zugang zu wissenschaftlichen Inhalten in Forschung und Lehre.
Was bedeutet Ihnen Open Science?
"Der Mehrwert von Open Science und insbesondere Open Access realisiert sich für mich letztlich in der Verbreitung und Auffindbarkeit wissenschaftlicher Arbeiten – wozu natürlich auch die langfristige Verfügbarkeit der Dokumente und Daten zählt."
Open Science im Hochschulalltag
Ein besonderes Anliegen ist Scholz dabei die langfristige Verfügbarkeit und Möglichkeit zur Nachnutzung von erzeugten Inhalten. So zeigt sich etwa in der aktuellen Situation der COVID-19-Pandemie, dass die Digitalisierung der Lehre maßgeblich davon profitieren kann, dass bereits viele Dokumente aber auch Videos für die Weiterverwendung zur Verfügung stehen: "In der Vergangenheit bin ich begeistert mit Studierenden fliegen gegangen, so dass sie, wie ich immer gesagt habe, die Differentialgleichungen am eigenen Körper spüren konnten. Jetzt in Onlinezeiten nutzen wir diese Videos und Studierende können Messungen am Video machen. Es ist wirklich erstaunlich, wie virtuell man an die Sache herangehen kann." Studierende können damit direkt von offener Wissenschaft profitieren.
Open Science mit Bachelor- und Masterarbeiten
Besonders wichtig ist Scholz zudem die Erkenntnis, dass auch Studierende im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten wissenschaftliche Ergebnisse produzieren, die meist an ganz spezifischen Stelle in die Tiefe gehen und auch für andere von Interesse sein können. Zahlreiche Arbeiten, die auf dieser Ebene entstehen, sind es seiner Ansicht nach wert, weltweite Verbreitung zu finden. Entscheidend ist für Scholz hierbei die Schaffung einer Infrastruktur, die dafür sorgt, dass "diese Dokumente nicht nur auf irgendeinem Server oder der eigenen Homepage zu finden sind, sondern dass alle Bedingungen erfüllt sind, damit aus dem 'Open' auch ein erfolgreicher 'Access' wird und die Arbeiten ihre Leserschaft erreichen. Deshalb setze ich mich seit zehn Jahren für den Aufbau eines Repository an der HAW Hamburg ein." Im Rahmen des Projekts Hamburg Open Science kommt mit dem RepOS-it nun endlich eine Infrastruktur an die Hochschule, die Open-Access-Publizieren sowohl für Abschlussarbeiten von Studierenden als auch für Wissenschaftler*innen ermöglicht.
Open Science für die Forschung
Selbst wenn für die HAW Hamburg als angewandte Hochschule die Lehre im Vordergrund steht, so kommt zugleich der Forschung eine wesentliche Bedeutung zu. Dieter Scholz etwa hat 2006 die Aircraft Design and Systems Group (AERO) gegründet, in der mehrere Mitarbeiter*innen und Student*innen an verschiedenen Forschungsprojekten zu Themen aus dem Bereich Flugzeugentwurf und -systeme tätig waren und sind. Hier musste er feststellen, dass man "permanent Forschungsergebnisse produziert, allerdings gar nicht hinterherkommt, diese Ergebnisse auch adäquat zu veröffentlichen und das Ganze dann möglichst noch als Open Access." Plattformen wie institutionelle und disziplinäre Repositorien, die über Metadaten wie Dublin Core und Schnittstellen wie OAI-PMH Literatur weltweit auffindbar machen, stellen für Scholz daher eine notwendige Ergänzung zu etablierten Fachzeitschriften dar. Auf diese Weise können Kongressveröffentlichungen oder Forschungsberichte verbreitet werden. Zudem bieten sie die Möglichkeiten, andere mediale Formen wie aussagekräftige Präsentationen, ergänzt um Kurzreferat und Literaturverzeichnis, sinnvoll zu veröffentlichen.
Digitaler Wandel bei Konferenzpublikationen
In seinem Bereich der Ingenieurwissenschaften konnte Scholz in den letzten Jahren eine deutliche Veränderung des Publikationswesens beobachten. Kam man vor einigen Jahren noch mit mehreren Bänden Konferenzpublikationen in der Reisetasche zurück, so ist heute nach dem Umweg über CDs und USB-Sticks allein die Onlinepublikation der Maßstab. Standards, die sich an wissenschaftlichen Zeitschriften orientieren, müssten sich hier aber noch stärker etablieren. Wichtig für eine Veröffentlichung ist Scholz vor allem, die "Vergabe eines persistenten Identifiers wie des DOI, korrektes Archivieren, die Verwendung reproduzierbarer Archivformate wie PDF/A und die optimale Verbreitung, die mit Open Access einhergehen sollte. Große Fachvereinigungen wie die Deutsche Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt haben bei der Erfüllung dieser Anforderungen allerdings immer noch Nachholbedarf."
Hinweise zum Betrieb von Repositorien
Auch für Betreiber von Repositorien und für das RepOS-it der HAW Hamburg hat Scholz noch wichtige Hinweise: Essentiell sei für Forschende vor allem die optimale Anbindung an Suchmaschinen und Datenbanken wie Google Scholar, Semantic Scholar, Worldcat, BASE, CORE oder OpenAIRE. Hierfür wird den Betreibern von Repositorien zwar durch spezielle Software für Dokumentenserver wie DSpace bereits viel Arbeit abgenommen, dennoch sei zum einen die umfassende Kenntnis der Metadaten sowie Metadatenschemata hilfreich, um tatsächlich die größtmögliche Auffindbarkeit im Sinne von Open Access zu gewährleisten, und zum anderen müsse teilweise eigeninitiativ für die Eintragung bei Suchdiensten und Datenbanken gesorgt werden.
Zusätzlich ist ihm das Thema Langzeitarchivierung von Inhalten, das über eine reine Backup-Strategie hinausgeht, ein wichtiges Anliegen. Entscheidend ist für ihn die Frage: "Wie will man überhaupt gewährleisten, dass irgendwann in hundert Jahren noch etwas da ist?" Daher sollte eine zertifizierte, langfristige Sicherung des offenen Zugangs zu Daten und Dokumenten in der Konzeption von Repositorien noch mehr Beachtung erfahren. Mit dem voraussichtlichen Start des RepOS-it Ende 2020 hat die HAW Hamburg bereits einen wichtigen Grundstein gelegt, auf dem sich produktiv aufbauend lässt.
Beitrag der Autoren zu Open Science
Um den Zugang zu Literatur im Sinne des Open Access nachhaltig und durchgängig zu sichern, können auch Autor*innen selbst einen Beitrag leisten, wie Scholz hervorhebt: "Erforderlich ist dazu neben einer freien Lizenzierung mit CC-Lizenzen insbesondere auf technischer Ebene ein Abspeichern von Dokumenten im archivierbaren PDF/A-Format sowie idealerweise ein Einbetten des DOI des Dokumentes selbst und des DOI der zugehörigen Forschungsdaten."
Ein wesentlicher Aspekt offener Wissenschaft ist für Scholz zudem die langfristige Archivierung und Zugänglichkeit von Onlinequellen, damit 404-Fehler und Deadlinks der Vergangenheit angehören. Die Referenz auf bereits archivierte wissenschaftliche Quellen mittels DOI sollte üblicher Bestandteil von Literaturverzeichnissen sein. Für andere Quellen aus dem Internet empfiehlt Scholz zusätzlich auf bereits archivierte Versionen etwa in der berühmten Wayback Machine – dem Archiv des Internets seit 2001 – zu verweisen. Falls erforderlich müssten Autor*innen selbst eine Archivierung anstoßen. Auch der neue Dienst Perma.cc des Harvard Library Innovation Lab greift das Bedürfnis einer nachhaltigen Quellensicherung auf. Perma.cc erfordert letztlich aber einen Zugang über die Hochschule.
Fazit
Für Scholz beinhaltet Open Access den Zugang auch für die Zukunft offen zu halten. Forschende und Hochschulen mit ihren Infrastrukturen können dazu beitragen, indem sie dafür sorgen, dass Dokumente und Daten
1.) langfristig verfügbar sind (mittels Archivierungsstrategien),
2.) auffindbar und zitierfähig sind (mittels persistenter Identifikatoren) und
3.) reproduzierbar sind (mittels Archivformaten).
Den Text erstellte Dr. Steffen Rudolph von HOS-Team der HAW Hamburg in enger Abstimmung mit Prof. Dieter Scholz basierend auf einem engagiert geführten Interview.
Links:
https://www.haw-hamburg.de/openscience