Tetris goes HAW Hamburg

Die Hausaufgabe "TEile TRansport Im Studium", oder wie man in sechs Wochen eine komplett simulierte Anlage automatisiert

TEile TRansport Im Studium

TETRIS Hausaufgabe "TEile TRansport Im Studium"

Als Alexei Leonidowitsch Paschitnow am 6. Juni 1984 auf einem Elektronika 60-Rechner die erste Version eines Computerspiels, ohne Sound und Farbe, fertigstellte, konnte er nicht wissen, dass 23 Jahre später, das Ergebnis seiner Faszination als Kind und seiner späteren Arbeit als Programmierer, als Meilenstein in die Computerspielgeschichte eingehen wird.

Tetris schreibt Erfolgsgeschichte

Das Tetris Spiel, τετρα [tetra] aus dem Griechischen für die Zahl Vier, basiert auf das Pentamino-Puzzle-Prinzip, noch als Geduldspuzzle bekannt, und wird mit sieben Formen und ihren achsensymmetrischen Varianten gespielt. Die Formen bestehen aus vier zusammengesetzten Quadraten, die den lateinischen Buchstaben I, O und T ähneln sowie den spiegelbildlichen Paaren S/Z und  J/L. Das Tetris Spiel hat in den 37 Jahren seines Bestehens eine unglaubliche Erfolgsgeschichte geschrieben: Es hat die Berliner Mauer und die Sowjetunion überlebt, bereits in den Achtzigerjahren hat es den Sprung aus dem Osten nach Westen geschafft und seit langem seinen Platz unter den Computerspiel-Klassiker unserer Zeit angenommen.

Nun gibt es Tetris auch für industrielle Steuerungen an der HAW Hamburg

Computerspiele gehören nicht zum Lehrgebiet von Prof. Dr.-Ing. Holger Gräßner, Professor für Automatisierungstechnik und Betriebssysteme. In seinen Lehrveranstaltungen Steuerungstechnik und Automatisierungstechnik lernen die Studierenden, Industrieanlagen mit speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) zu automatisieren. Aufgrund der zugespitzten Pandemie-Situation und der geltenden Kontaktbeschränkungen, konnte Gräßner, die im Wintersemester 2020 vorgesehenen Laborversuche nicht in vollem Umfang anbieten. Also musste der Departmentleiter Informations- und Elektrotechnik, wie so viele Kolleg*innen an der HAW Hamburg, wortwörtlich umsteuern. „Im Normalfall haben die Studierenden vier wunderbare praktische Laborversuche durchzuführen, da fallen ihnen Werkstücke vom Greifer, Lichtschranken spielen verrückt, Transportbänder laufen nicht an, alles lauter Highlights. Davon werden wir bestenfalls die Hälfte in Präsenz durchführen können“, so Gräßner.

Die Hausaufgabe "TEile TRansport Im Studium"

Aus diesem Grund haben die Studierenden von ihrem Professor zu Weihnachten eine besondere Hausaufgabe beschert bekommen. Sie haben sechs Wochen Zeit, um eine komplett simulierte Anlage zu automatisieren. Die Hausaufgabe gilt als Prüfungsvorleistung und ist der Ersatz für die beiden ausgefallenen Labortermine. Die Aufgabe, namens "TEile TRansport Im Studium", soll bis Ende Januar gelöst werden. Zur Betreuung bietet Gräßner regelmäßig, zusammen mit seinem Kollegen Ulrich Krebbel aus dem Labor für Automatisierungstechnik, abendliche Online-Konferenzen bei Fragen und Problemen an. Die Hausaufgabe sollen die Studierenden am besten allein, oder in Zweierteams bearbeiten. „Jemandem beim Programmieren über die Schulter zu schauen, davon hat man nicht viel. Der Clou ist, sich selbst ins Zeug zu legen, in Eigenregie, so funktioniert angewandte Wissenschaft. Und das zahlt sich beim Ergebnis aus“, ist Gräßner überzeugt.

In sechs Wochen eine komplett simulierte und automatisierte Anlage

Und was muss die simulierte Anlage alles können? „Mit Hilfe eines Handhabungsgeräts, das die Studierenden programmieren müssen, sollen unförmige Teile gegriffen, gedreht und platzsparend auf einem Packtisch abgelegt werden“, berichtet Gräßner. Genau hier kommt das Tetris-Prinzip ins Spiel. Der Packtisch ist zehn quadratische Felder breit und 20 Felder hoch. Ein Zuführung-Mechanismus stellt jeweils vier zusammenhängende Teile auf den oberen Bereich des Tisches bereit. Von dort aus werden sie von einem Portalroboter aufgenommen, transportiert, wenn nötig gedreht und zum Schluss auf dem Tisch abgesetzt. Ziel ist es, identisch wie beim Tetris, eine vollständige Reihe zu erzielen. Dann kommt ein weiterer externer Abtransport-Mechanismus, der die Reihe vom Tisch entfernt und alle weiteren Reihen, um eine Position nach unten verschiebt. Die dadurch entstehende Lücke schließt automatisch.

Automatikbetrieb geht aus Tipp- und Handbetrieb hervor

Für die Anlage hat Gräßner drei Betriebsarten vorgesehen: Tipp-, Hand- und Automatikbetrieb. Die Hausaufgabe wird danach überprüft und bewertet, ob der Automatikbetrieb korrekt funktioniert. Der Automatikbetrieb kann aber laut Gräßner, erst dann gelingen, nachdem man Erfahrungen mit dem Tipp- und Handbetrieb gemacht hat. Der Professor hat viel Energie in die Ausarbeitung dieser Aufgabe investiert und im Vorfeld einen seiner Studierenden als Beta-Tester für die Tetris-Engine gewinnen können. Auf die Lösungen seiner Studierenden, bei der Abgabe am 22. Januar, freut er sich jetzt schon. Die Hausaufgabe hat er mit viel Augenmerk auf das Detail und Funktionsvoraussetzungen aufbereitet. „Es gibt eine Reihe von Punkten, die zu beachten sind, sodass die Anlage richtig funktioniert. Zum Beispiel kann die Aufnahme neuer Teile nur bei korrekt positioniertem Greifer erfolgen, oder aber beim Anliefern neuer Teile muss der Absetzbereich für die Neuen freistehen. Da darf sich auch der Greifer zu dem Zeitpunkt nicht dort befinden. Und es darf keine Kollision zwischen den vom Portalroboter bewegten Teilen mit denen, die bereits auf dem Packtisch stehen, geben“, so Gräßner.

Computerspiele zu Weihnachten waren schon immer ein heißer Geschenktipp, da werden bei Holger Gräßner am pünktlich 22. Januar 2021 rund 85 verspätete Weihnachtsgeschenke nachgeliefert.

Text: Aleksandra Doneva

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Prof. Dr.-Ing. Holger Gräßner
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