Multifunktionale Materialien zur Steigerung der Effizienz zukünftiger Mobilitätsträger
Arbeitstitel: „Electro-mechanically coupled multi scale models for the simulation of multifunctional lightweight structures made from polymer electrolyte coated carbon fibres”
Promovierender: Maximilian Schutzeichel, M.Sc.
Betreuer HAW: Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Kletschkowski
Kooperationspartner: Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik Braunschweig
Betreuer OVGU: Prof. Dr.-Ing. Hans Peter Monner
In Bearbeitung seit: Mai 2018
Kontext und Forschungsvorhaben:
Das Promotionsvorhaben von Herrn Schutzeichel hat die nähere Erforschung multifunktionaler Kompositmaterialien zum Gegenstand. Der Begriff multifunktional beschreibt dabei die Eigenschaft, dass das Material z.B. neben der strukturellen Lastübertragung auch Funktionen wie etwa eine elektrische Stromführung, die thermische Erwärmung oder auch eine elektro-chemische Ionen-Diffusion bereitstellen kann. Solche Materialien sind beispielsweise Kohlefasern, wie man sie aus faserverstärkten Kunststoffen in der industriellen Anwendung kennt. Kohlefasern werden durch Einbettung in Kunststoffe als Verstärkungsmaterial genutzt. Faserverstärkte Kunststoffe (FvK) liefern hervorragende Leichtbaueigenschaften bei gleichzeitig hoher Steifigkeit und Festigkeit. Diese monofunktionale, strukturelle Anwendung ist bereits fest in der Industrie etabliert. In den letzten Jahren haben aber auch weitere Eigenschaften der Kohlefasern erhöhte Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Neben einer mittleren elektrischen Leitfähigkeit weisen Kohlefasern darüber hinaus auch die Funktion der Ioneneinlagerung (z.B. Lithium-Ionen) auf. Diesen Effekt nutzt man seither zur Erforschung struktureller Batterien aus, in denen Kohlefasern als Elektroden dienen und gleichzeitig strukturelle Lasten übertragen (siehe auch Structural battery composites ).
Neben dieser Anwendung ist ein weiteres Feld in den Fokus gerückt, das den Jouleschen Effekt, der bei Stromfluss durch die Kohlefasern Wärme erzeugt, nutzt. Im Bereich der Luftfahrt werden Systeme benötigt, die Eisanlagerungen an aerodynamischen Flächen (z.B. Flügelvorderkante oder Triebwerkseinlass) verhindern (Anti-Icing) oder eine bestehende Eisschicht entfernen (De-Icing). Klassische Systeme greifen dabei auf heiße Luft aus dem Triebwerk zurück und erwärmen die Struktur durch gezielte Führung des heißen Luftstroms. Dieses System hat mehrere bekannte Nachteile:
- Permanent verbaute Systemmasse, bei geringer Nutzungszeit pro Flug
- Schwächung der Triebwerkseffizienz während der Zapfluftentnahme
- Schlechter Wirkungsgrad des Systems selbst, da es mit großer Sicherheit ausgelegt ist, um die Enteisung sicherzustellen.
Eine Alternative können eingebettete, mit einer Polymerbeschichtung versehene Kohlefasern bieten. Diese speziell beschichteten Kohlefasern können zum einen zur aktiven, gezielten Beheizung der Struktur dienen, in der sie eingebettet sind. Zum anderen liefern sie die klassisch benötigte Struktursteifigkeit für lasttragende Strukturen.
Als Luftfahrtingenieur hat Herr Schutzeichel seinen Fokus auf die Anwendung als Enteisungsverfahren gelegt und betrachtet insbesondere elektro-thermo-mechanische Vorgänge in solchen multifunktionalen Kompositen. Dabei konzentriert sich die Forschungshypothese auf die Charakterisierung des Materialverhaltens in den physikalischen Domänen Mechanik, Elektrotechnik und Thermodynamik. Ziel ist es, diese grundlegenden Eigenschaften in Materialmodellen abzubilden und gekoppelt zu simulieren. Da es sich um ein strukturiertes Material mit innerer Geometrie handelt, kommt zusätzlich die Herausforderung der Mehrskalenbetrachtung hinzu. In seiner bisherigen Arbeit sind zu diesem Themenfeld neue Ergebnisse in der experimentellen Charakterisierung sowie der mechanischen und thermischen Simulation auf der Mikroskala entstanden. Dabei steht die Beeinflussung der Materialmechanik durch Temperaturänderung (thermische Ausdehnung, Wärmeleitung und Steifigkeitsänderung) im Fokus. Darüber hinaus wird der Einfluss der zusätzlichen Beschichtung, die jede einzelne Faser ummantelt, untersucht und mit Eigenschaften klassischer, monofunktionaler FvK verglichen. Ferner werden numerische und analytische Homogenisierungsverfahren genutzt und weiterentwickelt, um die Materialmodellierung effizienter umzusetzen.
Abbildung 1: Schematische Darstellung der von Vereisung betroffenen aerodynamischen Elemente an einem kommerziellen Luftfahrzeug und die Darstellung des strukturellen Aufbaus eines multifunktionalen Laminates mit 3D Mikrostruktur
Auf Basis dieser Ergebnisse lassen sich zukünftig auch Modelle auf der Makroskala simulieren, sodass Prototypen eines Enteisungsverfahrens virtuell konstruiert und ihr multiphysikalisches Verhalten vorherberechnet werden können. Die Optimierung des Strukturdesigns ist eine daraus abgeleitete Aufgabenstellung. Ein wichtiger Aspekt dafür ist die Abschätzung des möglichen Energieverbrauchs gegenüber klassischen Systemen unter Einbezug der Gewichtseinsparung, die durch die integrierte Bauweise erzielt wird. Es wird erwartet, dass ein solches System durch seine Strukturierung auf der Materialebene so optimiert werden kann, dass nur ein minimaler Energieaufwand zur Enteisung einer Struktur benötigt wird, bei gleichzeitig idealem Leichtbaufaktor. Diese These wird Teil der Evaluation sein, die Herr Schutzeichel im Rahmen seines Promotionsvorhabens durchführen möchte.
Wer dazu genaueres erfahren möchte, kann sich die zugeordneten Publikationen und Patente von Herrn Schutzeichel in diesem Bereich ansehen oder auch gerne Kontakt aufnehmen (siehe Publikationsliste unten).
Das Promotionsvorhaben wird von Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Thomas Kletschkowski (HAW) und Herrn Prof. Dr.-Ing. Hans Peter Monner (Otto-von-Guericke Universität und DLR Braunschweig) seit 2018 betreut. Durch die Zusammenarbeit sind bereits viele fruchtbare Ergebnisse entstanden. Dazu gehört auch die Mitarbeit im jungen Forschungs- und Transferzentrum Future Air Mobility, das bereits das Themenfeld der multifunktionalen Materialien in seine Forschungsstrategie aufgenommen hat. Damit signalisiert die Expertengruppe, das Thema auch zukünftig weiter als festen Bestandteil zu verfolgen.
Kontakt:
maximilian.schutzeichel (at) haw-hamburg (dot) de
Publikationen und Patente:
Schutzeichel, M.O.H. et al.: Experimental characterization of multifunctional polymer electrolyte coated carbon fibres; Functional Composites and Structures, Vol. 1, Nr. 025001 (2019)
Schutzeichel, M.O.H.; Kletschkowski, T. and Monner, H.P.: Effective stiffness and thermal expansion of three-phase multifunctional polymer electrolyte coated carbon fibre composite materials; Functional Composites and Structures, Vol. 3, Nr. 015009 (2021)
Schutzeichel, M.O.H.; Kletschkowski, T. and Monner, H.P.: Microscale Thermal Modelling of Multifunctional Composite Materials Made from Polymer Electrolyte Coated Carbon Fibres Including Homogenization and Model Reduction Strategies; Applied Mechanics, Vol. 2, 739-765 (2021)
Schutzeichel, M.O.H. and Linde, P.: Einsatz und Verfahren zur Erzeugung einer elektrischen Verbindung sowie Verfahren zum Herstellen einer elektrisch leitfähigen Faserverbundstruktur, Applicant: Airbus Operations GmbH, Application Nr.: DE20181008492 20181030
Schutzeichel, M.O.H. and Linde, P.: HEATABLE LEADING-EDGE APPARATUS, LEADING-EDGE HEATING SYSTEM AND AIRCRAFT COMPRISING THEM, Applicant: Airbus Operations GmbH, Application Nr.: CN201910526359 20190618