070-Fräswerkzeuge

Die Episode

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Transkript

Es ist Zeit für ein wenig Fertigungstechnik. Wobei ich nicht gedacht hatte, dass ich so viel Zeit für dieses Thema brauchen würde.

Eine Studierendengruppe hatte sich Episoden zum Fräsen gewünscht, und da ich ja gelernter und studierter Maschinenbauer bin, wollte ich mal eben einen Einstieg in die Fräswerkzeuge ins Mikro sprechen. Und dann fiel mir auf, dass man selbst beim Thema „Fräser“ in ein Kaninchenloch hinabsteigen kann, aus dem man nur schwer wieder hinausfindet. Schaftfräser, Messerkopf und Kugelkopffräser, passt schon. Naja oder eben auch nicht.

Und dann fiel mir auf, dass die meisten Leute wohl kein „klassisches Frästeil“ im täglichen Gebrauch haben dürften, was ich als Ankerpunkt benutzen könnte. Frästeile arbeiten eher im Hintergrund.

Eine Episode zur Einteilung der Fräsverfahren nach DIN 8589 – Teil 3 wollte ich (heute zumindest) nicht machen.

Denn man tau: Nähern wir uns den Fräswerkzeugen mal von außen nach innen:

Stellt Euch doch bitte mal eine 3-achsige CNC-Fräsmaschine mit senkrechter Spindel vor. (Ja, die Fräsmaschinen bräuchten auch mal eine Episode.)

Neben der Maschine steht der Schaltschrank, außendrum ist eine Verkleidung, um Späne, Dämpfe, Kühlschmiermittel und Lärm drinnen und Körperteile der bedienenden Person draußen zu halten. Dann gibt es das Maschinengestell auch Bett genannt, daran sind die Maschinenachsen befestigt, die entweder das Werkzeug oder das Werkstück im Raum bewegen. An einer der Achsen hängt vermutlich die Motorspindel und an der Spindel eine Schnittstelle für das Werkzeugsystem. Auf dem Maschinentisch ist Platz, um z. B. einen Schraubstock oder eine anderweitige Aufnahme für das Werkstück anzubringen.

Hier endet für mich das, was man klassisch als „die Werkzeugmaschine“ bezeichnen würde.

Zwischen dem Werkzeugspannsystem , das könnten z. B. eine Steilkegel- oder eine Hohlschaftkegelaufnahme in der Spindelnase sein, und dem Span befindet sich das Werkzeugsystem. Dieses umfasst alle Elemente, die benötigt werden, um Späne zu machen. Da wäre zunächst die Werkzeugaufnahme, die auf der einen Seite die Verbindung zur Maschine herstellt (z. B. SK oder HSK) und auf der anderen Seite das Futter für das Werkzeug hat. Hier gibt es wieder verschiedene Systeme wie Schrumpfaufnahmen, Spannzangenfutter, Weldon oder Hydrodehn. Eine jede hat so ihre Vor- und Nachteile. Darum soll es heute aber eigentlich gar nicht gehen. Zum Werkzeugsystem gehören dann auch die Protagonisten der heutigen Episode, die eigentlichen Fräswerkzeuge.

Aus der Fachkunde Metall von Europa leite ich mal vier Fragen auf dem Weg zum geeigneten Fräswerkzeug ab:

  • Welche Art der Fräsbearbeitung soll durchgeführt werden?
  • Soll eine Schrupp- oder Schlichtbearbeitung durchgeführt werden?
  • Welchen Schneidstoff will bzw. muss ich verwenden?
  • Und last but not least: Wie soll der Grundaufbau des Fräswerkzeugs sein?

Ich starte mal mit dem Grundaufbau. Hier gibt es drei große Gruppen, die man unterscheiden kann:

Die Schaftfräser: Sie bestehen vollständig aus einem Werkstoff, dem Schneidstoff (dazu wann anders mehr), z. B. HSS oder Hartmetall. Häufig sind sie auch noch beschichtet, um den Verschleiß zu verringern. Auf der einen Seite befindet sich der Schaft, üblicherweise ein zylindrisches Formelement gegebenenfalls mit Zusatzgeometrien für spezielle Aufnahmen. Auf der anderen Seite befinden sich die Schneiden. Je nach Fräsbearbeitung sind es mehr oder weniger, mit größeren oder kleineren Spanräumen, mit mehr oder weniger Drall. Die Form der schneidenden Seite kann auch variieren, plan oder kugelförmig oder mit speziellem Profil z. B. für T-Nuten oder Schwalbenschwanzführungen.

Die zweite Gruppe sind die Aufsteckfräser. Die Werkzeugaufnahme ist hier ein zylindrischer Dorn, der wahlweise eine Längs- oder Quernut als formschlüssiges Element zur Übertragung des Drehmoments aufweist. Auf diesen Dorn können dann Walzen-, Scheiben- oder Walzenstirnfräser sowie Sägeblätter angemessener Größe aufgesteckt und arretiert werden. Aufsteckfräser bestehen aus HSS oder Hartmetall und sind meinem Gefühl nach immer seltener im Einsatz (wobei mir da gerade noch das Wälzfräsen von Verzahnungen einfällt).

Zuletzt gibt es noch die Tausendsassa: Fräswerkzeuge mit Wendeschneidplatten, auch Fräsköpfe oder Messerköpfe genannt. Sie gibt es in tausenden Variationen für jeden erdenklichen Anwendungsfall. Der große Vorteil: Wenn meine Schneide stumpf ist, brauche ich nicht den Fräser aufwändig nachzuschleifen (wobei sich im schlimmsten Fall noch die Geometrie verändert), sondern ich wechsele einfach die Platten aus. Gleiches Werkzeug aber anderer Werkstoff zu bearbeiten? Grundkörper behalten und passende Platten drauf. Hey, ich habe nicht gesagt, dass das billig ist! Wobei es gerade auch bei großen Fräswerkzeugen schon praktisch ist, wenn man nicht den ganzen Fräskörper aus dem teuren und ggf. spröden Schneidstoff herstellen muss, so dass selbst Aufsteckfräser, die mit Wendeschneidplatten bestückt werden, schon gesichtet wurden. Bei ganz kleinen Werkzeugen ist das mit den Wendeplatten dann auch wieder schwierig.

Womit wir automatisch bei den Schneidstoffen sind. Ich nenne ein paar; Wenn ihr eine eigene Episode dazu wünscht, dann schreibt es doch in die Kommentare. Und wenn ihr schon dabei seid, klickt doch gleich auf den Abo-Button und auf „like“. Typische Schneidstoffe mit allen Vor- und Nachteilen wären die schon genannten Hochleistungsschnellarbeitsstahl (oder auch HSS) und Hartmetall. Dazu kommen noch die Schneidkeramiken sowie die hochharten Schneidstoffe Bornitrid oder Diamant. Und Schneidstoffe kann man nicht nennen, ohne auch auf die Beschichtungen hinzuweisen.

Zu Schrupp- und Schlichtbearbeitung habe ich schon eine eigene Episode gemacht. Um beim Schruppen das hohe Zeitspanvolumen zu bekommen, haben Schruppfräser große Spanräume und spezielle Schneidengeometrien, um kurze Späne zu erzeugen. Am Übergang vom Walzen- zum Stirnbereich sind sie häufig abgerundet oder angefast, um besser mit den großen Belastungen dort umgehen zu können.

Schlichtfräser haben gerne sehr scharfe Schneiden (kleiner Keilwinkel), die zwar schöne Oberflächen erzeugen, dafür aber anfälliger für Verschleiß sind.

Bleiben noch die Fräsbearbeitungsarten, ich fasse mich kurz.

Beim Planfräsen geht es darum, mit der Stirnseite des Fräsers, eine ebene Fläche herzustellen. Ein Fräser hierfür muss keinen 90°-Winkel aufweisen und nicht „über Mitte schneiden“ können. Man kann mit so einem Werkzeug also normalerweise nicht wie ein Bohrer senkrecht in das Werkstück eintauchen. Eine Zustellung in der Tiefe muss also außerhalb des Werkstücks erfolgen. Hier könnte auch ein Walzenfräser auf einer Fräsmaschine mit horizontaler Spindel funktionieren.

Möchte ich eine Kontur z. B. einen prismatischen Aufsatz auf meiner Werkstückoberfläche erzeugen, benötige ich einen sogenannten Eckfräser, der an Stirn- und Mantelfläche schneiden kann und dazwischen einen 90°-Winkel aufweist. Dies kann ein Eckmessserkopf, ein Walzenstirnfräser oder bei kleinen Geometrien ein Schaftfräser sein.

Zum Kopier- oder Freiformfräsen verwende ich sogenannte Kugelkopffräser, die auf der Schneidenseite eine halbkugelige Form aufweisen.

Als Zusammenfassung des viele Inputs vielleicht ein Beispiel, wie man einen Fräser auswählen könnte. Ich habe ein etwa ziegelsteingroßes Bauteil aus einer Aluminiumlegierung, bei dem ich auf einer Seite eine Ausfräsung (eine einseitig offene Rechtecktasche) einbringen möchte. Die Maschine, die zur Verfügung steht, hat als Schnittstelle eine Hohlschaftkegel-Aufnahme. Ich persönlich würde dann einen Schrupp- und einen Schlicht-Schaftfräser aus HSS oder Hartmetall vielleicht sogar mit integrierten Kanälen für den Kühlschmierstoff oder Minimalmengenschmierung verwenden.

Ich hoffe, dass ich einen ersten Überblick über das weite Feld der Fräser bieten konnte. Fräsen ist wirklich vielfältig und mit der richtigen Werkzeugauswahl (zu der auch ein gehöriges Maß Erfahrung gehört) können vom feinsten Teil mit spiegelnder Oberfläche bis zum riesigen Schiffsmotor Bauteile fräsend bearbeitet werden.

Puh, Schuster bleib bei deinen Leisten.

Dieser Spruch geht übrigens (zumindest nach der allwissenden Müllhalde) auf Plinius den Älteren im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zurück.

geschrieben von Benjamin Remmers
eingesprochen von Benjamin Remmers