075-Fertigungstechnik im Film - Teil 2

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Transkript

Es ist Zeit für ein wenig Kintopp. Und zwar dringend. Ich stelle gerade fest, dass der erste Teil dieses Formats schon zweieinhalb Jahre her ist.

Ich habe also erneut nach Filmen gesucht, in denen Produktionsprozesse oder Produktionsstätten zu sehen sind. Und nun versuche ich, sie auf ihren Realitätsgehalt zu untersuchen: von 1 (neue graue Haare) bis 10 (echter Produktionsbetrieb).

Ich beginne ohne Umschweife mit Terminator 2 – Tag der Abrechnung aus dem Jahr 1991. Es geht um das Ende: Der T-1000 ist besiegt und in der Schmelze terminiert. Nun gilt es noch, den Roboterarm und den Speicherchip zu vernichten; ach ja, und auch den alten T-800, gespielt von Arnold Schwarzenegger. Die Szenerie stellt sich folgendermaßen dar: Man steht auf einer Empore aus Gitterrosten über einem großen Schmelzebad. Daneben läuft stetig Schmelze aus einem angekippten Tiegel. Überall sprühen Funken. Die sind beim Gießen von Stahl bzw. Gusseisen übrigens normal. Analog zur Funkenprobe, bei der man versucht, durch den Funkenflug beim Schleifen einer Probe die Stahlsorte zu erkennen, würde ich auf sogenannte Kohlenstoffexplosionen tippen.

Auf der Schmelze schwimmen einzelne Flecken von Schlacke. Über der Schmelze hängt ein Kranhaken mit Kettengehänge.

Hier nun erste Kritikpunkte: Die Schmelze glüht nicht gleichmäßig, man erkennt rechteckige Felder von der Beleuchtung der Flüssigkeit von unten. Die Oberfläche des großen Schmelzebades ist in meinen Augen viel zu groß. So ist die Möglichkeit zum Wärmeverlust an die Luft gigantisch und viel zu viel Werkstoff bekommt Kontakt zu unserer Atmosphäre und damit zum Sauerstoff. Das wäre sehr viel Potential für Reaktionen. Schaut man in echte Gießereien, sind die Öfen und Tiegel so ausgeführt, dass die Oberfläche zur Luft möglichst klein ist, naja: so klein wie möglich, so groß wie nötig. Und selbst wenn man davon ausgeht, dass die Arbeiter:innen gerade erst vor dem Kampf geflohen sind, würde die Schmelze nicht dauerhaft aus dem angekippten Tiegel laufen. Dann müsste den ja jemand immer weiter neigen. Am Geländer der Empore ist eine Öffnung, um dort vielleicht schwere Gegenstände wie später den T-800 seitwärts zu verfahren. Die Öffnung ist hier nicht abgesperrt, was natürlich nicht zulässig ist. Allerdings wurde hier gerade der T-1000 von einem Granatwerfer hindurchbefördert und vorher hingen hier zwei Ketten vor dem Durchgang. Wo gehobelt wird…

Weiter im Text: Zunächst werden Roboterarm und Speicherchip in der Schmelze versenkt. Hier fällt auf, dass die Schmelze sehr dünnflüssig ist. Tatsächlich entspricht die Viskosität (also Zähflüssigkeit) von Stahlschmelze in etwa der von Wasser bei Raumtemperatur. Ich verlinke in den Shownotes mal ein Video von einem Stahlguss-Prozess, da kann man das auch sehr gut erkennen. Beleuchtetes Wasser ist also ein gutes Modell für Stahlschmelze. Beim Eintauchen des Chips taucht eine kleine Flamme auf. Auch das ist realistisch, weil sich verdampfte Werkstoffe und Verbrennungsgase entzünden können.

Dann drückt Arnie Sarah Connor die Kranfernbedienung in die Hand. Dabei fällt mir auf, dass an der Stelle, wo sich eigentlich ein Not-Aus-Schalter befinden sollte, nur eine schwarze Abdeckkappe ist. Ohauaha. Lustig finde ich den aus Draht gebogenen Haken, um die Fernbedienung an ein Geländer hängen zu können. Das kann man so sicherlich in Betrieben finden. Aber schön ist anders.

Die Schuhe und die Kleidung des Terminators dürften beim Absenken in die Schmelze gerne etwas früher durch die Strahlungswärme zu qualmen und sogar zu brennen anfangen. Und auch die Ketten hängen am Ende ziemlich unbeeindruckt in der „Schmelze“.

Alles in Allem bin ich doch recht beeindruckt von der Darstellung der Gießerei. Abgesehen von der riesigen Wanne fühlt sich das Set sehr benutzt an. Entgegen meiner anfänglichen Erwartung muss ich 8/10 Punkten vergeben.

Damit komme ich zum zweiten Film. Ein alter Klassiker. Ein Oldtimer. Es handelt sich um „Moderne Zeiten“ von und mit Charlie Chaplin aus dem Jahre 1936. Und das „von und mit“ ist wörtlich gemeint: Hauptdarsteller, Regie, Drehbuch, Musik, Produktion, Schnitt – alles Charlie Chaplin.

Dieser Film stammt aus der Übergangsphase vom Stumm- zum Tonfilm und ist kulturhistorisch sicherlich sehr interessant.

Die Hauptfigur versucht in diesem Film gegen den Strom aus Taylorismus und damit Fließbandarbeit, Weltwirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit zu schwimmen und glücklich zu werden. Die erste Station dabei ist die Arbeit an einem Fließband, das vom großen Chef im mit Monitoren bestückten Büro ferngesteuert wird.

Schauplatz der Szene ist eine recht aufgeräumt wirkende Werkhalle (kein Vergleich zur rostigen Bude aus Terminator). Zentrales Element ist ein Fließband bzw. ein Kettenförderer, auf dem in regelmäßigen Abständen Werkstückträger befestigt sind. Allerdings befinden sich hier keine Werkstücke darauf sondern nur jeweils zwei zylindrische Aufsätze wie Klemmbaustein-Noppen. Das Band verschwindet im hinteren Bereich im blankgebohnerten Fußboden. Dahinter befinden sich weitere Arbeitsstationen mit z. B. stilisierten, manuellen Pressen. Im Hintergrund drehen sich große Schwungräder. Die Hauptfigur, der Tramp, steht mit zwei weiteren Arbeitern vor dem Bodeneinlauf. Er dreht mit zwei großen Schraubenschlüsseln bei jedem Werkstückträger an den beiden Noppen. Die beiden anderen schlagen im Anschluss daran mit Hammer und Stößel auf die Noppen drauf. Das soll stumpfe, sich wiederholende Tätigkeiten darstellen, die hier natürlich keinerlei Funktion erfüllen.

Da der Chef das Band auf eine sehr hohe Geschwindigkeit eingestellt hat, fällt es dem Tramp schwer, die Position zu halten. Er wird vom Vorarbeiter daraufhin korrigiert. Und tatsächlich muss man sagen, dass in der Zeit die Arbeit in einer Fabrik so ähnlich ausgesehen hat. Die Produktion wurde in kleinste Schritte aufgeteilt, für die man kein Wissen, keine großartigen Fähigkeiten und auch keine Persönlichkeit brauchte. Die Arbeitskräfte sollten ungelernt arbeitsfähig und austauschbar sein. In dieser Parodie wurde die Situation natürlich auf 12 gedreht.

Allerdings gibt es auch heute noch trotz Workplace Enrichment und Job-Rotation Arbeitsplätze, die in letzter Konsequenz ähnliche Tätigkeiten erfordern. Auch wenn vieles inzwischen automatisiert wird. Man denke als Extrembeispiel an die sogenannten Sweatshops.

Nach einigem hin und her landet die Figur auf dem Kettenförderer und wird in die Eingeweide der Maschine hineingezogen. Dort wird er von großen Zahnrädern unbequem voranbewegt. Nach der Umkehr der Bewegungsrichtung durch den Vorarbeiter wird er letztendlich wieder ausgespuckt und schraubt in der Folge an allem, was nur entfernt schraubbar aussieht.

Zur Bewertung: Die Darstellung der Arbeitssituation ist absolut abstrakt und übertrieben, aber nicht komplett weltfremd. Die Zahnräder sehen tatsächlich nach einer Evolventenverzahnung aus und nicht einfach wie in vielen alten Kinderbüchern mit rechteckigen Zähnen versehen. Schwungräder wurden früher tatsächlich höchstens mit einem umlaufenden Geländer versehen. Gegen Eingriff wurde da nichts gesichert.

Wegen der hohen gesellschaftlichen und kulturhistorischen Relevanz vergebe ich wohlwollende 5 Punkte für die Darstellung der Produktion. Die Verzahnung der Zahnräder rundet auf.

Last but not least folgt nun ein anderer Charlie. Und zwar aus der Tim-Burton-Produktion von 2005 nach dem Buch „Charlie und die Schokoladenfabrik“ von Roald Dahl. Daraus nehme ich mir die Eröffnungssequenz vor.

Es beginnt mit einem Strudel aus flüssiger Schokolade. Diese fließt in eine rechteckige Form mit ebenem Boden. Mehrere dieser Formen bewegen sich gemeinsam auf einer Art Förderband aus einzelnen Elementen ähnlich einem dieser Laufbänder an großen Flughäfen. Also wieder ein Kettenförderer. Unter mehreren Auslässen bleiben die Formen jeweils kurz stehen, um befüllt zu werden. Dies ist eine Möglichkeit vorzugehen. Manchmal möchte man aber auch die Portionierdüsen mit dem Förderband mitbewegen, damit nicht jedes Mal die ganze Kette angehalten und neu beschleunigt werden muss.

Auf dem Weg zur nächsten Station wird die Schokolade durch eine Phalanx aus Ventilatoren gekühlt. Kann man so machen, wenn die Maschine z. B. durch ein Gehäuse gegen Eingreifen geschützt ist. In der nächsten Station angekommen werden durch eine Kurbelpresse die Konturen für die einzelnen Stücke auf die Schokolade geprägt. Das halte ich für unnötig kompliziert. Man könnte die Tafeln in eine Form gießen, bei der die Elemente für die Portionierung der Tafel auf der Unterseite angebracht sind. Das hätte auch den Vorteil, dass ggf. auftretende Luftblasen am Ende auf der Unterseite sind. Und auch die Schwindung würde dort auftreten, so es denn bei Schokolade Erstarrungsschwindung gibt. Ich gehe aber mal davon aus.

Im Anschluss werden die einzelnen Förmchen auf Gitterschalen abgelegt, die sich vertikal nach oben bewegen. Dabei wird eine weitere Gitterschale auf die Form abgesenkt, beide werden gewendet und so die Tafel von der Form befreit. Oben angekommen landen die einzelnen Tafeln in rechteckigen Wannen, die wiederum an ballonförmigen Fallschirmen (oder fallschirmförmigen Ballons) hängen und sich in einer helixförmigen Bewegung nach unten absenken. Ähnliche Kinematiken finden sich in der Produktion durchaus bei Puffern oder Kühlstrecken, ganz einfach um Grundfläche zu sparen. Später sieht man, dass die Ballons wiederum an Schnüren hängen. Man könnte die Ballons oder Fallschirme also auch einfach weglassen und die Wannen direkt an die Schnüre hängen. Dann wäre es aber vermutlich nicht Willy Wonka.

Am Ende der Pufferstrecke entwickeln die zuvor noch komplett geschlossenen (sie sehen aus wie tiefgezogen) Blechwannen auf einmal einen Klappmechanismus und entlassen die erstarrten Schokoladentafeln auf Verpackungsmaterial, das wiederum auf einem Förderband (diesmal wirklich) liegt. Hier sieht man nun, dass auf der Unterseite innen doch eine Erstarrungsschwindung stattgefunden hat. Ich wusste es.

Am Ende werden die Tafeln noch von spinnenähnlichen Greifern zuerst in Aluminiumfolie und dann Papier verpackt und versendet.

Verpackungsmaschinen sind cool. Allerdings sehen sie in der Realität nicht aus wie Edelstahlspinnenhände. Bei den Bewegungen dürfte auch der oder dem besten Kinematiker oder Kinematikerin endgültig schlecht werden.

Tja und wie viele Punkte bekommt die Szene nun? Bei Scooby Doo hatte ich damals 3 Punkte gegeben. Und analog zu den modernen Zeiten eben sind doch erstaunlich viele Elemente realitätsnah und dann phantastisch übertüncht. Ich vergebe also ebenfalls 5 Punkte.

Ich hoffe, Ihr hatte ein wenig Spaß an der nicht hundertprozentig ernstgemeinten Besprechung der Filmszenen. Wenn Ihr Vorschläge für weitere Filmszenen habt, lasst es mich gerne unter info (at) fertigungstechnisch (dot) hamburg wissen.

Ach und übrigens: Die Viskosität von flüssigem Wasser nimmt mit steigender Temperatur ab. Es wird also dünnflüssiger, weswegen man das Einschütten von kalten und heißen Getränken sogar am Klang unterscheiden kann.

geschrieben von Benjamin Remmers
eingesprochen von Benjamin Remmers

 

Terminator 2 Ending - https://www.youtube.com/watch?v=oeBxKWZLyis
Stahlguss - https://www.youtube.com/watch?v=_FfQD_IImtg

Moderne Zeiten – Fließband - https://www.youtube.com/watch?v=ZdvEGPt4s0Y

Charly und die Schokoladenfabrik – Intro - https://www.youtube.com/watch?v=HG8KjoSNxOk