Wie inklusiv, gender- und diversitätsgerecht sind Co-Working-Spaces eigentlich?
Ob Gründer*innen oder Selbstständige – sie alle brauchen einen Raum für ihre innovative und kreative Ideen. Dieser Raum ist häufig ein Co-Working-Space. Unter diesem Begriff wird neben einem klassischen Arbeitsplatz im Büro und dem mobilen Arbeiten von Zuhause ein alternativer, dritter (Arbeits-)Ort verstanden. Dementsprechend sind Co-Working-Spaces Arbeitsräume, die häufig zunächst auf eine befristete Dauer von Gründer*innen oder Gründungsteams gemietet werden. Die Co-Working-Space-Betreiber*innen selbst verdienen an diesem Geschäftsmodell wie folgt:
- Sie mieten langfristig ein Gebäude.
- Gestalten die Räumlichkeiten (Gemeinschaftsbereiche, Büros, Cafés usw.), statten diese häufig mit komfortablen Büromöbeln und der notwendigen Technik aus.
- Vermieten die Räumlichkeiten zu deutlich höheren Preisen für kürzere, dafür flexiblen Mietbedingungen.
Auch Hochschulen verfügen zunehmend über eigene Co-Working-Spaces, die Sie den hochschulinternen Teams zur Verfügung stellen. Aus der gender- und diversitätssensiblen Perspektive stellt sich die Frage, wem diese Räumlichkeiten von Nutzen sind und wem nicht? Und vor allem: inwieweit diese zugänglich für unterrepräsentierte Gruppen sind? Bekommen diejenigen Menschen Raum für ihre Ideen, die ihn am meisten benötigen?
Die Studie „Coworking spaces: An overview and research agenda“ (2019) von Travis Howell scheint eine der ersten ihrer Art zu sein, da auch Howell sich ähnliche Fragen gestellt hat. Seine Umfragen und Interviews ergaben ein folgendes Bild:
Nicht alle Gründer*innen machen dieselben Co-Working-Space-Erfahrungen. Die Arbeit in Co-Working-Räumlichkeiten scheint besonders den Minderheiten, Frauen sowie nicht-lokalen Unternehmer*innen große Vorteile zu bringen. Woran es liegt, gilt noch genauer zu untersuchen. Feststeht, dass es einen positiven Zusammenhang für die oben genannten Gruppen mit dem Co-Working-Space gibt.
Gründe für positive Erfahrung von Co-Working-Spaces seitens von Minderheiten, Frauen und nicht-lokalen Gründer*innen:
Studien weisen darauf hin, dass besonders Frauen und Minderheiten wie beispielsweise B(I)PoC-Vertreter*innen größere Schwierigkeiten haben, Ressourcen für ihre Gründung zu erhalten. Grund dafür sind Voreingenommenheiten unterschiedlicher Art wie beispielsweise gender-, racial- und oder funding bias. So mangelt es besonders diesen Gruppen an Finanzierungsquellen sowie an wichtigen Netzwerken. Die Studie von Howell zeigt, dass eben diese Menschen sich stärker in der Co-Working-Community engagieren und am häufigsten davon profitieren.
Gründer*innen, die aus einer anderen Region kommen, beispielsweise weil sie aufgrund des Studiums in eine andere Stadt umgezogen sind, sind deutlich im Nachteil gegenüber den lokalen Gründer*innen, beispielsweise wenn es um wichtige Netzwerke geht. Durch die Co-Working-Space-Community lässt sich dieser Teil nach und nach ausgleichen.
Wer profitiert noch von den Co-Working-Spaces und wer profitiert gar nicht?
Auch die Hauptgründer*innen erleben Co-Working-Spaces als einen Ort, an dem sie mit anderen Gründer*innen über das emotionale und psychologische Auf-und-Ab sprechen und Unterstützung anbieten oder annehmen können. Für Mitarbeiter*innen eines Startup´s ist der Co-Working-Space mehr oder weniger ein gewöhnlicher Arbeitsraum; für Gründer*innen dagegen eine unterstützende Gemeinschaft von Gleichgesinnten.
Auch wenn die Studie von Howell viele unterschiedliche Gruppen beleuchtet, bleiben einige außen vor. So stellt sich die Frage, ob ein Co-Working-Space ein inklusiver, barrierefreier Ort ist und für Gründer*innen mit Behinderungen infrage kommt. Pioniere auf dem Gebiet lassen sich in Berlin finden: TUECHTIG schließt genau diese Lücke und fungiert damit als Vorbild für inklusive Arbeitsräume.
Zudem wäre es eine Überlegung wert, sich von einem Bild eines Singles/kinderlosen Gründers sowie einer Single/kinderlosen Gründerin zu verabschieden und Co-Working-Spaces für gründende Eltern und Elternteile einzurichten. So wären Wickeltische, Spielecken sowie Stillräume ein notwendiges Equipment. Auch Kinderbetreuung ist zunehmend eine relevante Dienstleistung, die in Co-Working-Space angeboten werden sollte. Hier gibt es ebenfalls bereits Beispiele zum Nachahmen: Coworking Toddler.
Fazit
Insgesamt scheint es mehr Bewegung im Bereich inklusive, gender- und diversitätssensible Co-Working-Spaces zu geben. Allerdings braucht es mehr Vorbild-Unternehmen, die sich der Relevanz dieser Themen bewusstwerden und Chancengleichheit sowie Teilhabe in ihren Räumlichkeiten auch leben. Auf diese Weise können so viele Menschen wie möglich ihr Gründungspotenzial ausschöpfen. Etwas – was sowohl der lokalen als auch nationalen Wirtschaft zugutekommt und womöglich bei der Lösung einiger gesellschaftlicher, ökologischer oder ökonomischer Probleme helfen könnte.
Co-Working-Räume an Hochschulen der Hansestadt Hamburg
- Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW)
- Universität Hamburg (UHH)
- Fachhochschule Wedel (FH)
- Darüber hinaus lassen sich Räumlichkeiten über den Verbundpartner Starup Port finden
Literatur & Empfehlungen
Howell, T. (2022). Coworking spaces: An overview and research agenda. Research Policy, 51(2), 104447.
Autorin
Jessica Langolf
Stand: Dezember 2023