„Mit strategischer Beschaffung Geld sparen und politische Ziele unterstützen“


 

Das fünftägige Seminar „Strategische und nachhaltige Beschaffung im Öffentlichen Dienst“ vom 22.- 26. Januar 2024 wendet sich an Fach- und Führungskräfte aus dem Bereich Beschaffung/Einkauf des Öffentlichen Dienstes, die ihre Beschaffung strategisch und nachhaltig ausrichten möchten.
Prof. Dr. Heike Papenheim-Tockhorn, Leiterin des Departments Public Management an der HAW Hamburg und wissenschaftliche Leiterin dieser Weiterbildung, erläutert die Gestaltungspotenziale und politische und gesellschaftliche Dimension von Beschaffung und die daraus resultierenden Inhalte des Seminars.

 

 

Frau Papenheim-Tockhorn, was versteht man unter strategischer Beschaffung im Öffentlichen Dienst?

Beim Einkauf in der Öffentlichen Verwaltung denkt man traditionell nur an das Vergaberecht und die hieraus resultierende starke rechtliche Reglementierung.

Strategische Beschaffung meint in erster Linie zwei Dinge: Zum einen geht es um eine Professionalisierung der öffentlichen Beschaffung. Diese bezieht sich auf ein strategisches Verständnis des Beschaffungsprozesses mit entsprechender Professionalisierung von Organisation und Personal. Zum anderen werden im Rahmen der Beschaffung strategische und nachhaltige Ziele in der öffentlichen Beschaffung thematisiert.

Welche strategischen Gestaltungspotentiale bietet denn der Beschaffungsprozess?

Der öffentliche Einkaufsprozess besteht idealtypisch aus vier Teilprozessen: Es beginnt mit dem Bedarfsmanagement und der Beschaffungsmarktforschung, anschließend folgen die Phasen der Beschaffungsvergabe sowie der Beschaffungsabwicklung.

Beschaffungsvergabe und Beschaffungsabwicklung bieten durch die rechtliche Reglementierung wenig betriebswirtschaftliche Gestaltungsspielräume und können als operative Beschaffung verstanden werden. Die strategische Beschaffung setzt in den beiden frühen Prozessphasen des Bedarfsmanagements und der Beschaffungsmarktforschung an, die ein hohes Gestaltungs- und Optimierungspotenzial bieten.

Inwiefern sind gerade diese Phasen von großer Bedeutung?

In diesen frühen Phasen werden die Beschaffungsziele und -kosten maßgeblich bestimmt. So beginnt ein  professionelles strategisches Verständnis der Beschaffung mit der Frage: Wie können die Verantwortlichen für Beschaffung bei der Feststellung von Bedarfen aktiv mitwirken? Dann schließen sich weitere Fragen an, darunter: Wie können regelmäßig wiederkehrende, gleichartige oder ähnliche Bedarfe wie etwa Strom, Reinigungsleistungen, Büro- und Geschäftsbedarf, Handwerkerleistungen gebündelt und standardisiert werden, so dass Rahmenverträge abgeschlossen werden können? Wie können ein Warengruppenmanagement und ein Lieferantenmanagement aufgebaut werden? Wie können effiziente Beschaffungsprozesse und ein Beschaffungscontrolling gestaltet werden? Sie sehen, das Thema ist komplexer, als es zunächst scheint.

Und jenseits dieses Prozessverständnisses: Wie können in der öffentlichen Beschaffung strategische und nachhaltige Ziele verfolgt werden?

Ein wichtiges Ziel der Novellierung des europäischen und deutschen Vergaberechts lag darin, die öffentliche Auftragsvergabe stärker zur Unterstützung politisch-strategischer Ziele zu nutzen, vor allem für soziale, ökologische und innovative Zielsetzungen. Heute können Nachhaltigkeitsaspekte als strategische Ziele bei der Auftragsvergabe einfließen: Ökologische Aspekte wie z. B. Energie- und CO2-Reduzierung, Abfallvermeidung u.a. über den gesamten Lebenszyklus eines Beschaffungsgutes hinweg betrachtet können bei der Vergabe ebenso berücksichtigt werden wie eine sozial verantwortliche Beschaffung.  Das bedeutet beispielsweise, dass Waren bezogen werden, die unter Beachtung der in der ILO (International Labour Organization, d. Red.)  festgelegten Kernarbeitsnormen entstanden sind. Auch vorrangig fair gehandelte Produkte können bezogen werden, selbst wenn sie teurer sein sollten. Öffentliche Beschaffung kann auf diese Weise eine politische und gesellschaftliche Wirkungskraft entfalten.

Woran kann ich diese Wirkungskraft strategischer und nachhaltiger Beschaffung festmachen?

Hier hilft ein Blick auf die Zahlen: Das jährliche Beschaffungsvolumen öffentlicher Auftraggeber liegt in Deutschland ungefähr zwischen 250 bis 500 Milliarden Euro, was zirka 11 bis 19 Prozent des Bruttoinlandsproduktes entspricht. Insofern erklären sich schon einmal die volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Dimension, die Marktmacht und Wirkungskraft der öffentlichen Beschaffung. Hier wird viel Steuergeld bewegt, mit dem für die Gesellschaft viel bewirkt werden kann.

Wer legt die strategischen und nachhaltigen Beschaffungsziele fest?

Beschaffungsziele der Nachhaltigkeit und Beschaffungsstrategien müssen von der Politik gesetzt werden. Die Bedeutung der Beschaffung kann auch aus anderer Perspektive betrachtet werden: Eine strategische und nachhaltige Beschaffung kann einen Beitrag zur Umsetzung nationaler und internationaler Nachhaltigkeitsstrategien leisten.

Soll die Beschaffung nicht in erster Linie möglichst kostengünstig sein?

Tatsächlich steht eine rechtskonforme Auftragsvergabe in dem Spannungsfeld zwischen den genannten strategischen und nachhaltigen Zielen der Beschaffung und der Verpflichtung auf Wirtschaftlichkeit im Sinne einer wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung nach Bundes- und Landeshaushaltsordnungen. In unserer Weiterbildung werden die Teilnehmenden lernen, wie mit diesem möglichen Zielkonflikt in der Leistungsbeschreibung, den Zuschlagskriterien und den Ausführungsbedingungen umgegangen werden kann. Und – wie schon gesagt – ohne politische Rückendeckung für nachhaltige Ziele wird der Einkauf immer in Rechtfertigungszwänge geraten, ob es nicht doch „billiger“ ging – wie etwa beim Einkauf fair gehandelten Kaffees.

Was genau lernen die Teilnehmenden in Ihrer fünftägigen Weiterbildung?

Unser Team vermittelt ein zeitgemäßes strategisches Aufgaben- und Rollenverständnis der öffentlichen Beschaffung. Vor allem geht es darum, das Thema Nachhaltigkeit in der Beschaffungsstrategie zu verankern, und die Gestaltungspotentiale durch Bündelung und Standardisierung, Warengruppenmanagement, Lieferantenmanagement und Beschaffungscontrolling auszuloten sowie die rechtlichen Möglichkeiten zur Umsetzung eines strategischen und nachhaltigen Einkaufs zu vermitteln. Auch Themen wie Beschaffungsmarktforschung stehen auf der Agenda.

Wie genau geschieht das?

An fünf Seminartagen mit insgesamt 34 Stunden führen mehrere Referent:innen aus Theorie und Praxis die Teilnehmenden durch den strategischen Beschaffungsprozess und die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen in der Beschaffung.

Das klingt erst einmal rechttheoretisch. Ist das von Ihnen vermittelte Know-how sofort umsetzbar?

Ja, sicher. Die Teilnehmenden erwartet ein Mix aus theoretischem Basiswissen und vielen Praxisbeispielen. Sie lernen konkrete Tools wie beispielsweise die Lebenszykluskostenanalyse kennen und kritisch zu reflektieren. Wir geben ihnen das Handwerkszeug für den sofortigen Transfer in die Praxis an die Hand. Sie bekommen auf diese Weise mehr Sicherheit für ihre tägliche Arbeit und können Bausteine eines strategischen Einkaufs in ihrer Organisation umsetzen.Zudem werfen wir einen aufschlussreichen Seitenblick auf die Beschaffung in einem großen Konzern; das vermittelt den Teilnehmenden eine zusätzliche praktische Perspektive.

 

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