Krisensituationen souverän meistern - Eskalation vermeiden, um sich selbst zu schützen


 

 

Ein Gespräch mit der Konflikttrainerin Silvia Wolf zu ihrem Seminar „Deeskalationstraining – Professioneller Umgang mit Aggression und wirksame Gewaltprävention“.

Frau Wolf, in Ihrem Seminar, das Sie am Campus Weiterbildung der HAW Hamburg anbieten, trainieren Sie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus sozialen Berufen und Mitarbeiter*innen des Öffentlichen Dienstes, Konflikte mit schwierigen Klienten und Bürgern kommunikativ souverän zu lenken, bevor sie eskalieren. Erste Frage vorab:

Was hat Sie zur Expertin für Kommunikation, Konfliktberatung und Verhaltenstraining gemacht?

Silvia Wolf: Ich fand zwischenmenschliche Kommunikation immer faszinierend. Vieles, was nicht gesagt wird, ist spürbar. Warum das so ist, wollte ich genau wissen, also intellektuell durchdringen. Aus diesem Grund habe ich mich vor über 20 Jahren auf dieses spannende Feld begeben. Im Laufe der Jahre habe ich zahlreiche Fortbildungen geleitet und auch selbst absolviert und baue meine Kompetenzen dadurch kontinuierlich aus.

Worum geht es bei „Deeskalationstraining“ genau?

Die zentrale Botschaft lautet: Nur, wenn ich meine Aufmerksamkeit auf die Kommunikation bewusst lenke, habe ich die Möglichkeit sie in eine gewünschte Richtung zu lenken. Es geht in diesem Fall darum, durch ein bedachtes Verhalten oder eine bestimmte Wortwahl dafür zu sorgen, dass eine Begegnung geordnet abläuft und nicht eskaliert. Sollte es beispielsweise so weit kommen, dass ein Familienvater die Mitarbeiterin im Sozialamt anpöbelt oder sogar physisch bedrängt, hat die Betreffende auf die ersten Anzeichen, die auf eine eventuell entstehende Eskalation hinweisen, nicht reagiert.

Wie kann ich mir den Ablauf Ihres Seminars im Groben vorstellen? 

Zunächst fordere ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf, mir im Vorfeld ihre Situation, ihre speziellen Anliegen zu schildern. Viele haben schon Situationen erlebt, in denen sie sich bedroht oder zumindest unwohl fühlten. Die Muster dieser Szenarien können wir im Verlauf des Seminars als Fallbeispiele heranziehen.

Am ersten Seminartag geht es vor allem darum, die Teilnehmer*innen für die kommunikativen Anzeichen einer Eskalation sensibel zu machen. Grundlage hierfür sind die verschiedenen theoretischen Modelle der Kommunikation und Wahrnehmungsübungen.

Welche zum Beispiel?

Bewährt hat sich unter anderem das Vier-Phasen-Modell: Wahrnehmung, Interpretation, Gefühl und Handlung. Es hilft, sich im Fall eines anbahnenden Konflikts strukturiert zu verhalten, die Antennen ausfahren, wach und achtsam sein – sowohl für sich selbst als auch für mein Gegenüber. Wie fühle ich mich in seiner oder ihrer Gegenwart? Was signalisiert mir die Mimik und Gestik des Menschen, der da gerade den Raum betritt? Hier ist das so genannte „Bauchgefühl“ ein wichtiger Indikator. Aus diesen blitzschnell gewonnenen Erkenntnissen kann ich dann meine Verhaltensstrategie ableiten.

Wie trainieren Sie diese Achtsamkeit in der Gruppe?

Vor allem durch so genannte „Frozen Sits“, also eingefrorene Situationen. Ich komme in den Seminarraum, gehe einige Schritte und bleibe dann unvermittelt stehen – wie ein Standbild im Film. Dann bitte ich die Teilnehmer*innen, die Augen zu schließen und ihrem Gefühl zu folgen. Was empfinden sie bei meinem Auftritt? Welche Informationen haben sie aufgrund meiner Körpersprache schon in den ersten Sekunden empfangen? Diese Botschaften sind enorm wichtig, um sich blitzschnell eine Deeskalationsstrategie zurecht zu legen.

Kommen wir zum zweiten Teil des Seminars. Welche konkreten Tipps zur Umsetzung geben Sie den Teilnehmenden an die Hand?

Hier gibt es schon bei der Wortwahl viele Möglichkeiten der De-Eskalation. Um beim Beispiel des aufgebrachten Familienvaters auf dem Sozialamt zu bleiben: Ungünstig wäre es, auf Anfeindungen beleidigt zu reagieren oder ihn herabzuwürdigen, indem man ihn auf sein inadäquates Verhalten hinweist. Geschickter wäre es, zu versuchen, den Druck aus der Situation zu nehmen, indem ich z.B. körperlichen Abstand nehme und die Person konkret auf ihr Verhalten anspreche: „Sie wirken aufgebracht, ich hole Ihnen erst mal einen Kaffee, dann reden wir in Ruhe“. Auch ein Nein akzeptiert niemand gern, das facht die Wut oft noch an. Eine Alternative könnte sein: „Sie haben Leistungen eingefordert. Diese sind für andere Fälle vorgesehen. Zur Verfügung stehen Ihnen folgende Leistungen…“ So besteht die Möglichkeit, dass sich die Situation erst einmal entschärft und ich gewinne neuen Handlungsspielraum. Genau darum geht es.

Welche weiteren Tools bieten Sie neben Kommunikation als Selbstschutz an?

Da geht es vor allem um die Sicherung und den Schutz der eigenen Person, die sogenannte Eigensicherung. Für einen Mitarbeiter vom Jugendamt, der einen prekären Haushalt betritt, heißt das: Grundsätzlich gehen die Personen vor ihm, damit er die Personen nicht im Rücken hat bzw. er sehen kann, wie sie sich verhalten. So kann er die Anzeichen von Eskalation wahrnehmen. Und bitte nicht in einer engen Küche auf einer Sitzbank Platz nehmen. Bei einer Eskalation kann man schlecht entkommen. Des Weiteren sind in einer Küche zu viele gefährliche Gegenstände. Auch das Büro sollte so eingerichtet sein, dass ich selbst die Tür im Rücken habe und nicht im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Rücken zur Wand sitze.

Und nicht zuletzt: Spätestens bei einem beginnenden unguten Bauchgefühl – Abstand halten!

Wie sieht es aus mit Selbstverteidigung?

Die biete ich im Rahmen des Seminars auch an. Da trage ich dann einen Schutzanzug und animiere die Teilnehmer*innen, mich mal heftig zu schubsen oder mir einen Tritt ans Schienbein zu verpassen. Diese Hemmschwellen abzubauen ist wichtig, falls es doch mal ernst werden sollte. Das wollen wir mit dem Seminar ja eigentlich vermeiden, aber für den Ernstfall habe ich diesen Baustein natürlich auch im Angebot.

Zur Person:

Dipl.-Verwaltungswirtin Silvia Wolf leitet die Fachgruppe Verhaltensmanagement in der Fachinspektion Aus- und Fortbildung der Landespolizei Schleswig-Holstein. Bereits seit 20 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Thema Kommunikation. Sie gibt zahlreiche Seminare zur Stärkung der persönlichen und sozialen Kompetenz, zum Thema Konflikt, interkulturelle Kompetenz sowie Führungskräftetrainings. Sie ist u.a. Coach, Krisenpädagogin und Mediatorin.

Ausführliche Informationen zum Seminar Deeskalationstraining und die Anmeldung finden Sie hier.........